Erst mal: Ich finde diese Debatte einmal mehr hochinteressant. Beide Seiten haben gute Argumente, und ich habe mich mehrmals dabei ertappt, wie ich insgeheim zu Postings auf beiden Positionen genickt habe.
Entscheidend finde ich tatsächlich das, was Karottensalat gesagt hat:
Ich glaube, es geht nicht um das Erscheinungsbild, sondern darum, erkannt zu werden. Du darfst ja auch nicht Auto fahren ohne Kennzeichen. Hinter einer Vollverschleierung kann sich jeder verstecken.
Das ist zumindest fundierter als irgendein diffuses Gefühl.
Und da ist meines Erachtens auch nicht entscheidend, wieviele Damen der Meinung sind, die Burka sei ein Zeichen ihrer Freiheit und wie toll es ist, sich komplett zu verhüllen. Denn darum geht es hier gar nicht.
Was ich für mich selbst nicht aufgelöst kriege, ist dies hier:
Entscheidend ist, daß diese Frauen selbst bestätigen, daß sie nicht gezwungen werden, sondern den Gesichtsschleier freiwillig anlegen. Sie sind oft intelligent, unabhängig und können sich gut ausdrücken.
Klar, man kann sich freiwillig und unabhängig dafür entscheiden. Aber dann könnte man ja auch in seinen Entscheidungsprozess einfließen lassen, dass man in einem Land lebt, wo es üblich ist, sein Gesicht zu zeigen und diesem Land und seinen Bewohnern selbst ein wenig entgegenkommen. Man muss ja nicht gleich im Minirock und bauchfreien Top durch die Gegend laufen.
Und vor allen Dingen kann man sich dann mE nicht auf die Religiosnfreiheit als Grundrecht berufen, wenn einen die Religion ja gerade *nicht* dazu zwingt, sich zu verhüllen.
warum sie sie tragen, ist irrelevant
klar ist es schon ein kultureller (sie argumentieren halt mit der Religion, da nützt es 5x nix, wenn wir hier sagen: steht aber nix im Koran von) Zwang, auferlegt durch Männer
Ich finde schon, dass das eine Rolle spielt. Also ob es tatsächlich eine religiöse "Vorschrift" ist oder nur irgendeine Auslegung einer kleinen Gruppe von Angehörigen dieser Religion (denn längst nicht alle Musliminnen tragen Kopftuch oder Gesichtsschleier). Denn erst dann kann man mMn anfangen, bei der Abwägung von Grundrechten die Religionsfreiheit ins Spiel zu bringen, also wenn das wirklich zur Ausübung dieser Religion gehört.
Wikipedia - als einigermaßen seriöse Quelle, hoffe ich jedenfalls

- sagt dazu folgendes:
"Fundamentalistische Moslems verweisen zur Begründung ihrer Kleidervorschriften auf Stellen im Koran und dessen Erklärung aus den „frühen Quellen des Islam“ wie die von Ibn Kathir und at-Tabarī. Dort sehen sie Belege für die Forderungen, den Niqab aus religiösen Gründen zu tragen:
„Prophet! Sag deinen Gattinnen und Töchtern und den Frauen der Gläubigen, sie sollen (wenn sie austreten) sich etwas von ihrem Gewand (über den Kopf) herunterziehen. So ist es am ehesten gewährleistet, dass sie (als ehrbare Frauen) erkannt und daraufhin nicht belästigt werden. Gott aber ist barmherzig und bereit zu vergeben.“
– Sure 33, Vers 59: Übersetzung: Rudi Paret
Nach Ansicht des Generalsekretärs des Fatwa-Rates, Scheikh Khaled Omran, gibt es keine religiöse Rechtfertigung, sich gegenüber anderen Menschen ständig zu verhüllen. Die Regel galt nach seiner Aussage ursprünglich nur für die Frauen des Propheten Mohammed."
@Oldfield: Diese Fundamentalisten wären wahrscheinlich auch der Meinung, dass Homosexualität ein "zu bestrafendes Vergehen" darstellt. ;-)
Gleichbehandlung beinhaltet nach meine Erinnerung übrigens auch, daß Ungleiches nicht gleich behandelt werden darf, wenn ein hinreichender Grund nicht vorliegt.
Ja, so hab ich das auch noch im Kopf. :-)