1. Ich kann nicht so gut englisch wie du, Vivian.
Danke ... ich kann auch nicht so gut englisch, vielleicht gibt es ja irgendwo eine halbwegs gute deutsche Übersetzung?
Hier, das ist eine - allerdings schnell hingeworfene - Übersetzung von mir. Nicht übersetzte Absätze habe ich mit (...) gekennzeichnet, damit es nicht zu lang wird und weil es auf GB bezogen ist, kann ich aber übersetzen.
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Neuere empirische Beweise zeigen, daß sehr wenige französische, belgische und britische Frauen den Gesichtsschleier tragen. Die, die es tun, haben dafür eine Bandbreite an Gründen und ihre Entscheidung hängt von Lebenserfahrunge ab: manchmal wird der Gesichtsschleier angelegt, aber oft auch wieder abgelegt.
Entscheidend ist, daß diese Frauen selbst bestätigen, daß sie nicht gezwungen werden, sondern den Gesichtsschleier freiwillig anlegen. Sie sind oft intelligent, unabhängig und können sich gut ausdrücken. Trotzdem haben die französischen und belgischen Politiker nichts getan, um muslimische Frauen anzuhören, bevor sie strafrechtliche Gesetze verabschiedet haben, die ihre Freiheit einschränken. Die französische Kommission (unter dem kommunistischen Politiker Andre Gérin) erlaubte gerade mal einer muslimischen Frau, mit ihnen zu sprechen, aber sie bestanden darauf, daß sie vorher ihren Gesichtsschleier ablegte.
Belgien handelte genauso (verkürzt übersetzt, weil wiederholend). Französische und belgische muslimische Frauen haben sich bitterlich darüber beklagt, daß sie dies als Verletzung ihrer demokratischen Rechte empfinden und als Beispiel des doppelten Standards der Politiker, ihnen raten, sich als gleichberechtigte Bürger zu integrieren Anstatt die Integration zu fördern, ließen diese französischen und belgischen Debatten diese Frauen befremdet, herausgefordert und isoliert zurück.
In zeitgenössischen Debatten wird der Gesichtsschleier oft als mittelalterliche Praxis dargestellt. Und in einer wahrhaftigen Ironie kann die momentane europäische Antwort auf den Gesichtsschleier selbst als "mittelaltelich" angesehen werden. Die heutigen Debatten über muslimische Frauen und ihre Behandlung sind ähnlich dazu, wie über Häretiker, Lepröse und Juden gesprochen wurde und wie sie behandelt wurden,im mittelalterlichen Europa als, nach dem Historiker RI Moore, Europa eine verfolgende Gesellschaft wurde.
Gemäß Moore wurde die europäische Identität durch die Verfolgung verletztlicher Gruppen geformt, insbesondere nicht-christlicher Gruppen wie Jude oder Häretikern, welche nicht in den Grundkonsens passten, was es heißt, ein Europäer zu sein. Sogar wenn kein Schaden durch sie veursacht wurde, es kein individuelles Opfer gab und keine antiklerikale Aussagen getätigt wurden, begannen die Regierungsbehörden aktiv mit strafrechtlicher Verfolgung - und griffen damit tiefer in den Glaube und das Privatleben von "häretischen" Individuen und Gruppen.
Die Antwort auf den Gesichtsschleier in Belgien und Frankeich zeigt viele dieser Merkmale in dem es das bisherige Schleierverbot in bestimmten Bereichen, wie Schulen, Arbeitsplatz, Gerichten, auf alle Erscheinungen in der Öffentlichkeit ausdehnt und manche muslimische religiöse Gebräuche als so "radikal" einstuft, daß sie nicht vereinbar mit einer demoraktischen Staatsbürgerschaft und des Europäer-Seins seien.
Im mittelalterlichen Europe wurde diese legale Richtungsänderung zur Verfolgung durch falscher öffentlicher Rhetorik der politischen Eliten anstatt der Bevölkerung unterstützt. More zeigt, daß die Kreierung von falschem Wissen über die Opfer der Verfolgung, wie Häretiker und Juden, sowie die Zerstörung ihrer tatsächlichen Identitäten ein relevantes Mekmal von Europas "verfolgenden Gesellschaften" war.
Wieder sieht man heute Parallelen. Dem 11.09 und 07.07 folgenden Diskussion über Muslime in Europa habe eine anti-Islam Ideologie geschaffen, welche nun bei den Rechten in ganz Europa übernommen wurde. Politische Eliten haben die Besorgnisse über muslimische religiöse Unterschiede eher übertriebe als abgemildert, so daß rationale Debatten oft nicht möglich sind. Französische und Belgische Politiker, die den Gesichtsschleier diskutieten, spielten eine entscheidende Rolle bei der Legitimisierung rechter Ideologien und der Übertragung populärer Sorgen ins Straftrecht. (...)
Im Falle von muslimishen Frauen hat die Gleichberechtigung eine entscheidende Rolle gespielt in der Schaffung einer falschen Identität, welches ihre Stimmen zum Schweigen bringt, sie von demokratischen Prozessen ausschließt und zu ihrer Verfolgung führt. Auf der einen Seite wird die Behandlung muslimischer Ehefrauen durch ihre Männer als Zeichen ihrer Rückständigkeit und Barbarei angesehen. Auf der anderen Seite werden muslimische Frauen als Gefahr dargestellt, weil sie ihre Schleier nicht abnehmen und sich nicht an moderne Zeiten anpassen möchte. Dieser paradoxe Prozess repräsentiert muslimische Frauen als Opfer des Patriachats, die gerettet werden müssen, aber zugleich als Symbole des radikalen Islam, die es verdienen, "zu ihrem eigenen Besten" kriminalisiert werden.
Der Gesichtsschleier ist ein absolut angemessenes Thema für die Diskussion und Gesetzgebung in einer liberalen Demokratie. Die Stimmen muslimischer Frauen selbst, genau wie die von Nicht-Muslimen, die verständliche Sorgen über den Gesichtsschleier haben, verdienen es, gehört zu werden. Es stimmt auch, daß der Gesichtsschleier reguliert werden sollte durch lokale Entscheidungsträger wie Lehrer oder Richter in bestimmten Situationen, und Muslime müssen diese nachvollziehbaren Grenzen ihrer Freiheit akzeptieren.
Aber entscheidend, eine solche rechtmäßige Debatte, und sinnvolle gesetzliche Regelung, zu unterscheiden von politischen und rechtlichen Antworten wie diese in Frankeich und Belgien, die muslimische religiöse Unterschiede als barbarisch einstufen - und dabei muslimische Frauen zu den neusten Opfern in Europas langer Geschichte der Verfolgung werden lassen.