Fortsetzung:
Von Forte dei Marmi aus wollten wir unsere letzte Station anfahren, Clusane am Lago d'Iseo.
Der See ist ca. 70 km vom Gardasee entfernt. Den Tipp hatte ich von meiner Italienisch-Lehrerin bekommen. Der Iseosee ist zuletzt durch die
Floating Piers von Christo in der Presse gewesen. Das war aber schon abgebaut, was wir wussten.
Der Plan war, dass wir am Ankunftstag vom Hotel aus mit der Fähre die Insel Monte Isola, die größte Insel in einem südeuropäischen Binnengewässer, besuchen. Am zweiten Tag wollten wir dann mal zum Gardasee und am dritten Tag war die Heimfahrt geplant, mit evtl. noch einem Zwischenstopp irgendwo.
So war der Plan....
Wir starteten also morgens nach dem Frühstück und fuhren, wie immer in Italien, nur Landstraßen. Die Fahrt sollte ca. 5 Stunden dauern, so dass wir am frühen Nachmittag da sind.
Den ersten Zwischenfall gab es schon hinter Raggazola, wo wir über eine Po-Brücke fahren mussten. Ca. 300 m vorher stand ein Schild "Brücke über den Po gesperrt". Super! Tatsächlich standen wir nach einigen Sekunden vor rot-weißen Barrieren. Also wenden.... Das Navi wollte uns immer wieder dorthin zurückleiten: "bitte wenn möglich wenden". Ich habe dann gesagt, wir müssen einfach erstmal weit von dieser Stelle wegkommen, damit das Navi eine neue Route berechnet. Das hat dann auch geklappt. Ich weiß jetzt gar nicht mehr, wo wir den Po dann überquert haben, aber es war ein ziemlicher Umweg.
Kurz vor Barbariga (wie ich jetzt weiß), ruckte die Barchetta einmal. Ich dachte mir nichts dabei aber Salessio sagte etwas wütend: "Das war ich nicht!" Ich sagte: "Ich habe doch gar nichts gesagt!" Wahrscheinlich ahnte er schon, dass etwas nicht in Ordnung ist, daher die ungehaltene Stimme.
Er gab Gas, aber das Auto nahm nichts mehr an. Es rollte nur noch.... Salessio hat es geistesgegenwärtig von der Landstraße auf einen Schotterparkplatz daneben gelenkt und kam genau in einer Parklücke zum stehen. Dort war eine kleine Kneipe, wie man sie so kennt von Landstraßen. Ein Plastiktisch, 2 Stühle und ein Sonnenschirm davor. Gott sei Dank!
Er meinte, wir trinken erstmal ein Wasser, vielleicht fährt das Auto dann wieder.
Wasser trinken funktionierte, das Auto leider nicht. Die Betreiberin der Bar war eine alte Frau. Englisch nix, war klar. Ich habe ihr also auf Italienisch erklärt, dass wir Hilfe brauchen, weil unser Auto nicht mehr fährt. Sie schreibt mir die Adresse der Kneipe auf einen Zettel und sagt: "2 km entfernt ist eine Tankstelle." Das hilft natürlich. Ich hatte mir schon Worte im Kopf zurecht gelegt, um ihr zu verdeutlichen, dass wir einen Abschleppdienst oder die Telefonnummer einer Werkstatt brauchen, da fragte ein Mann, der einzige andere Gast, was das Problem ist. Ich erklärte es ihm noch einmal und er sagte, er kennt eine Werkstatt in der Nähe. Er trinkt jetzt aber erstmal in Ruhe sein Bier aus, dann fährt er mit seinem Motorrad dort hin und sagt Bescheid. Warum das nicht telefonisch ging, weiß ich bis heute nicht. Aber vielleicht hatte er ja auch keine Telefonnummer und kein Handy und die Kneipe kein Telefonbuch, wer weiß.
Jedenfalls rauschte er nach seinem Bierchen mit dem Ruf "Cinque minuti!" davon. Aus den fünf Minuten wurden mindestens 45 und ich dachte schon, der kommt niemals wieder.
Aber dann kam er zurück, im Schlepptau einen Lieferwagen mit der Aufschrift einer Werkstatt. Es stieg ein alter Mann aus und stellte fest, dass er vor Ort nichts machen kann. Zwischenzeitlich hatte Salessio seinen italienischen Schrauber aus Deutschland an der Strippe, dem er beschrieben hatte, wie der Wagen sich verhält und hat dem Mann das Handy gegeben. Sie haben miteinander telefoniert und man merkte irgendwie, dass sie nicht einer Meinung waren.
Jedenfalls kannte der Mann jemandem mit einem Abschleppdienst. Der war auch erstaunlich schnell da. Wir kletterten ins Führerhaus und die Barchetta hinten drauf.
Nach ca. 5 Minuten Fahrt waren wir schon auf dem Werkstattgelände. Es handelte sich um ein Familienunternehmen und alle kamen aus der Halle, stellten sich um das Auto und es gab großes Palaver. Italienisches Durcheinander mit Fachausdrücken. Wir standen etwas verloren daneben.
Dann kam Marta! Die Tochter des Hauses, vielleicht Mitte 20, sehr hübsch und sehr sympathisch. Sie sagte, sie könne ein wenig Englisch. Sie erzählte uns in einem wilden Italienisch-Englisch-Gemisch, dass morgen ihr Bruder in der Werkstatt ist, der sich mit solchen Autos besser auskennt, weil ihr Vater eigentlich nur Lastwagen repariert.
Ok, nun standen wir da. Sie fragte uns, wo wir denn nun hinkönnen. Wir sagten, wir brauchen wohl ein Hotel, denn eigentlich hätten wir erst am Lago d'Iseo eins, wo wir ja nun nicht mehr hinkommen.
Marta sagte: "Lago d'Iseo? Das ist doch gar nicht weit. Ich fahre Sie hin." Ich sagte, laut Navi seien das noch gut 40 km und sie müsse dann ja auch wieder die Strecke zurückfahren. Sie sagte, das sei überhaupt kein Problem. Hier auf dem Land gäbe es sowieso kein Hotel und ein Taxi sei doch viel zu teuer.
Sie verstaute uns und unser Gepäck in ihrem Cinquecento und los ging es.
Die Fahrt war sehr unterhaltsam. Sie war sehr kommunikativ und ich weiß jetzt viel über die Arbeitslosigkeit in Italien, über die schlechten Löhne, die hohen Steuern, über das Umland von Brescia, dass sie jetzt auf jeden Fall einen Englisch-Kurs machen wird, weil sie merkt, dass sie ja gar nichts mehr kann, usw... Alles in Engtalienisch. Salessio war die ganze Zeit ganz ruhig. Ich glaube, er weinte innerlich um sein Auto.
Dann kamen wir am Hotel an. Wir waren sofort begeistert von der Lage. Wenn man schon kein Auto hat, muss wenigstens das Hotel schön sein.

Blick vom Restaurant auf der Terrasse:

An diesem Abend sind wir dann am Hotel geblieben und haben gut gegessen und getrunken. Salessio konnte allerdings nichts genießen. "Was ist, wenn die mich übers Ohr hauen? Die können doch sonstwas behaupten, was sie gemacht haben! Hinterher muss ich 700 Euro bezahlen.... Und wenn die das Auto einfach verkaufen?"
Ich habe ihm gesagt, dass doch nicht alle Italiener Verbrecher sind, aber geglaubt hat er es nicht so richtig. Furchtbar, dieser Mann und sein Auto!
Fortsetzung folgt, denn jetzt kommt dieser Mann gleich nach Hause.
